Kapitel I – Anfeindungen  #TheStoryBehindMySmile

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Wenn ich zurückblicke, war ich eigentlich von Beginn an mit Kommentaren und negativen Äußerungen von anderen konfrontiert.

Das erste Mal, an das ich mich erinnere, wurde ich tatsächlich bereits im Kindergarten auf meine “Andersartigkeit” aufmerksam gemacht. Damals war es üblich, dass man sein eigenes Spielzeug von Zuhause mit in den Kindergarten bringen durfte. Ich habe damals wie für Kinder üblich mit Playmobil gespielt und hatte deswegen zwei solcher Figuren mitgenommen. Ich meine mich daran zu erinnern, dass es eine Fee und ein Ritter waren. Doch: Wie typisch für Menschen, die nur etwas suchen, um daran etwas aussetzen zu können, haben ein paar ältere Jungs, nur die Fee gesehen und darauf hin “Guck mal, der ist ja komisch. Der spielt mit Puppen” zueinander und “Na, hast du noch mehr Puppen in deiner Tasche?!” zu mir gesagt. Der Moment hat sich bei mir bis heute eingebrannt und ich weiß noch, als wäre es gestern gewesen, dass ich gar nicht wusste und vielleicht zu jung war, um zu verstehen, was die genau meinten. Ich habe daraufhin einfach mein Spielzeug versteckt und mich versucht anzupassen und mich somit bereits in so jungem Alter zum ersten Mal von anderen verändern lassen.

Die Grundschulzeit, welche als nächste Etappe folgte, verlief hingegen ohne solcher Vorfälle. Ich hatte viele gute Freunde und kann mich an keine negativen Momente erinnern. Ich war glücklich, hatte eine tolle, sorgenfreie Kindheit und fühlte mich nie eingeschränkt, ausgegrenzt oder anders. Auch bzw. vor allem dank meiner Eltern und Freunde.

Doch dann kam die Zeit, die für mich richtig hart wurde. Denn erst auf dem Gymnasium gab es diese typische und für solche Storys essenzielle Gruppe von „unglaublich coolen“ Typen mit Intelligenzallergie, die mir fast zwei Jahre durchweg auf den Fluren Schwuchtel oder Tunte hinterhergerufen haben. Egal, wie viele Leute auf den Fluren noch herumstanden oder was ich tat.
Für mich war es tatsächlich nur halb so wild. Doch es war mir vor meinen Freunden peinlich. Zwar haben die Jungs alles und jeden gemobbt und beleidigt, der nicht bei drei auf dem Baum war, dennoch waren Personen wie ich eine perfekte und recht einfache Zielscheibe.
Der schlimmste Moment in meiner Schulzeit, bei dem ich nach wie vor innerlich vor Wut und Verachtung brodel, ist, als diese Jungs meinen kleinen Bruder angesprochen haben und meinten “Schämst du dich eigentlich dafür, dass dein Bruder so eine Schwuchtel ist?”
Das war der Moment, an dem ich für mich entschlossen habe, mich niemals zu outen, solange ich noch auf dem Dorf lebe. Die meisten (jedoch nicht alle) Leute auf dem Dorf sind konservativ, weltfremd und kennen nur das, was in ihrem Vorgarten passiert. Andersartigkeit wird abgestraft und verurteilt. Das musste ich schnell lernen. Aber ich habe auch daraus gelernt. Habe mich angepasst. Versucht, weniger aufzufallen und mein eigentliches Ich möglichst zurückgehalten.
Ich bin noch heute unfassbar froh, dass ich damals so tolle Freunde und meine Familie um mich hatte, die sich für mich eingesetzt haben und immer hinter mir standen – noch heute. Ich war während der Schulzeit nie allein und auch kein Außenseiter. Was jedoch zeigt, dass der gesellschaftliche oder soziale Status in der Hierarchie unter der Sexualität zu stehen scheint und man selbst mit einem von Freunden und Image gestärkten Rücken nicht vor solchen Anfeindungen geschützt ist.
Dieser eine Moment mit meinem Bruder hatte zur Folge, dass ich mich von meinem Bruder in der Schule bzw. Öffentlichkeit distanzierte, um ihn zu schützen. Ich wollte nicht, dass er sich wegen mir solche Sachen anhören muss. Ich wollte nicht, dass ihm jemand noch ein einziges Mal so etwas entgegnet oder fragt.

Rückblickend lässt es mich tatsächlich noch immer ein bisschen fassungslos zurück, was damals teilweise geschehen ist. Dies sind zwar nur zwei von schätzungsweise 50 Momenten, die ich hier mit dir teilen könnte, aber diese beiden sind die für mich einschneidensten und diejenigen, die mich in meiner Entwicklung am meisten beeinflusst haben. Ich kann dir jedoch eine gute Sache mit auf den Weg geben.
Ca. ein bis zwei Jahre nach dieser Phase kam ein Typ der Gruppe in einem Club auf mich zu. Ich machte mich für einen Rundumschlag an schwulenfeindlichen Sprüchen bereit, bekam jedoch das Gegenteil. Ein Art Entschuldigung – wenn man so möchte. Da ich niemals wirklich auf die Sprüche und Aktionen eingegangen bin, niemals vor Verzweiflung angefangen habe, zu heulen oder mit peinlichen Versuchen gekontert habe, sondern die Jungs einfach ihre hochpubertäre Phase habe ausleben lassen, sie ignoriert oder zumindest so getan habe, als würde es mich nicht interessieren, wurde ich nach und nach zu einem langweiligen Opfer, von dem schnell abgelassen wurde. Ich glaube im Club wurde mir so etwas gesagt wie „So falsch bist du gar nicht. Tut mir leid. Das war dumm.“

Man darf sich von solchen Menschen nicht einkriegen lassen und man darf ihnen keine Angriffsfläche bieten. Auf die Kommentare zu reagieren, hätte mich nur verwundbar gemacht und gezeigt, dass es mich kränkt. Dagegen anzugehen, wäre ebenso erfolglos gewesen. Die Menschen mit all ihrem Elan und all ihrer „Coolness“ jedoch ins Leere laufen zu lassen und unbeachtet links liegen zu lassen, schien seine Wirkung zu zeigen. Es ist nie einfach so etwas einfach über sich ergehen zu lassen. Mir schlotterten die Knie, wenn ich den Typen auf dem Flur begegnet bin. Doch innere Stärke ist der Weg zum Ziel. Auch heute noch. Trotz und Gleichgültigkeit sind das, was solche Menschen stört. Und Selbstbewusstsein. Ich glaube, wenn man mich sich selbst im Reinen ist, strahlt man das aus und wie kann man jemanden beleidigen, wenn der genau dafür steht? Eher schlecht. Es ist nie schön, Worte wie „Schwuchtel“ hinterhergerufen zu bekommen, doch man muss sich vor Augen halten, wie erbärmlich solche Menschen und wie mickrig deren Wert sein muss, wenn sie sich über die Diskriminierung von anderen profilieren müssen. Eigentlich sollten solche Leute einem leid tun – muss bestimmt schwierig sein, ohne ein funktionierendes Gehirn auszukommen. 😉

Und bezüglich der Geschichte mit meinem Bruder oder meinen Freunden, vor denen mir all das unangenehm war, kann ich dir nur sagen, dass wahre Freunde sich von so etwas nicht abschrecken lassen und sich an meiner Situation vor der Zeit zu der Situation danach nichts geändert hat. Mein Bruder steht zu mir. Meine Freunde stehen zu mir. Mein Freundeskreis hat sich eher erweitert.

Ehrlichkeit und Offenheit sind der Schlüssel, um Herr über eine solche Situation zu werden.

Dass mir jedoch auch heute im Arbeitsleben ein solcher Vorfall von Diskriminierung nicht erspart blieb und wie die Geschichte abgelaufen ist, erzähle ich dir ein anderes Mal.

Huge smile

Levin 🙂

 

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